Mama (= Kosewort für Mutter. Als Mutter wird das weibliche Elternteil eines Kindes bezeichnet).
No (englisch für Nein). Das Gegenteil ist Ja.
Sing (englisch für singen), den Gebrauch der menschlichen Stimme zum Gesang.
"Mama, no sing, Mama!" ist der Ausruf des Widerstands gegen egoistische, künstlerische und berufstätige Mütter, welchen sich nur durch hartnäckiges, oft auch von heftigen Gefühlsausbrüchen begleitetes Beharren auf einem Recht auf Ruhe im eigenen Haus begegnet werden kann.
(Kind mit künsterlisch ambitionierter Rabenmutter, Hamburg 2016, Bild von Gertrude Käsebier)
MamaNoSing ist eine freie Kompanie, die sich dem Musiktheater widmet. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die Kombination von Musik, Schauspiel, Tanz, Video und Performance.
"Morgen früh, wenn Gott will... Britten Opus 41"
23. Februar 2014
Sophiesaele/100°Festival
Konzeption/Regie: Isabelle Redfern
mit Isabelle Redfern und stefanpaul
Texte: Isabelle Redfern, Joachim Heinrich Campe, Adolf Matthias, Michael & Debi Pearl
Musik: A Charm of Lullabies ,Benjamin Britten, Opus 41
Ausstattung: stefanpaul
Ton/Technik: Indigo Redfern, Sophiensaele
Videos: stefanpaul, Isabelle Redfern, Oskar Redfern
Fotos: Kathleen Kunath, Oskar Redfern, Atau Hamos, Kamil Janus
Videoaufzeichnung: Kathleen Kunath & Kamil Janus
Schnitt: Katja Pratschke
© MamaNoSing 2014
Trailer
"Morgen früh, wenn Gott will.. Britten, Opus 41"
Musik: Benjamin Brittens Liederzyklus "A Charm of Lullabies"
Brittens Lullabies, also Wiegenlieder, überraschen durch ihre aufgeregte Musik und die teils bösartigen, drohenden Texte. Wer singt seinem Kind solch verstörende Schlaflieder?
Ein Mädchen allein zuhause, sie bringt ihre Puppe zu Bett. Sie tröstet sich selbst über das Alleinsein hinweg, imitiert eine Erwachsene, die ein Kind zu Bett bringt. In der Einsamkeit vertreibt sie sich die Zeit mit dem, was üblicherweise ihr selbst zuteil wird: Gebete, Märchen und Schwarze Pädagogik. Sie erzählt grausame Märchen von unartigen Kindern, die ihre Strafe verdienen, betet zu einem strafenden Gott und singt Wiegenlieder über Züchtigung durch Schlangen.
Der Pianist, als ihr Vater und Vertreter dieser schwarzen Pädagogik, schaltet sich über die Videoebene ein: er vertritt die göttliche Gewalt, die pädagogischen Ideale des ausgehenden 19. Jahrhunderts, und verbindet diese mit den neu erstarkenden Ideen der streng anglikalen Gläubigen, die Zucht, Strafe und Ordnung fordern. Zitate von Anglikalen und Erziehungstheoretikern vermischen sich. Die Videoebene präsentiert auch die gewalttätigen selbstbezogenen Eltern sowie Helden- und Machtphantasien von Kindern.
Videomitschnitt
MamaNoSing
HAU 2 Februar 2011
Ballhaus Naunynstraße Dezember 2013
Regie/Konzept: Isabelle Redfern
mit Isabelle Redfern und stefanpaul
Texte: Isabelle Redfern, Paul Julius Möbius, Adalbert von Chamisso.
Musik: Robert Schumann
Bühne: Rebekka Dornhege Reyes, Manuel André Dornhege
Kostüm: Nina Thielen
Choreographie: Mercedes Appugliese
Video: Jakob Klaffs, Patricia Fürst, Benjamin Behnisch
Videoaufzeichnung: Benjamin Behnisch, Kamil Janus
Fotos/Design: Dornhege Reyes/Thielen
© MamaNoSing 2011
KRITIK: Die Wahrheit über Frauen Veröffentlicht am 27. Februar 2011 von Redaktion 100Wort!|
Die sehr direkte Perspektive auf die Balz-, Paarungs- und Austragungsrituale von Wasserkäferweibchen und allerhand anderem Getier werden mit einem großartig gesungenen und begleiteten Schumann collagiert. Darunter mischen sich sozial-zoologische Zitate über das Wesen der Frau, die zu ihrer Zeit wohl wissenschaftlich klangen, und mit wunderbar altertümlichem Ernst vorgetragen, für uns heute famose Pointen besitzen. Über die Leinwand blitzen die Fratzen der weiblichen Natur. Ein Blick auf die Frau als animalisches, hinterhältiges, grausames, aber auch leidendes Wesen, als Gebärmaschine, Märtyrerin im Dienst der nächsten Generation. Aber auch eine Präsentation des weiblichen Körpers als ästhetisches Objekt, die durch die körperliche Präsenz der Performerin eine starke Wirkung entfaltet. (luk)
Trailer
Musik: Robert Schumann, Frauenliebe und -leben
„Frauenliebe und -leben“ ist ein Liederzyklus, der die vermeintlich wichtigsten Stationen des Lebens einer Frau beschreibt: Verlieben („seit ich ihn gesehen, glaub ich blind zu sein“), Heirat („ich will ihm dienen, ihm leben, ihm angehören ganz“), Schwangerschaft („weißt du nun die Tränen, die ich weinen kann“), Mutterschaft („nur eine Mutter weiß allein, was lieben heißt und glücklich sein“ )und schließlich der Tod des Gatten („geliebet hab ich und gelebt, ich bin nicht lebend mehr“).
Wie kann frau aus heutiger Sicht noch solche Texte auf der Bühne vertreten, wie den patriarchalen Blick verstehen? Denn an diesem Liederzyklus kommt eine Sängerin weiterhin nicht vorbei. Es ist der wichtigste Liederzyklus, der für eine Frauenstimme im 19. Jahrhundert geschrieben wurde.
Weshalb suchen selbst emanzipierte, berufstätige, finanziell unabhängige Frauen auch heute noch ihren Mr.Big (vgl. Sex and the City u.ä.)? In den Videoeinspielungen bringen die Spieler*innen die Paarbeziehung in die Jetztzeit: Bin ich heutzutage als Verliebte*r weniger anfällig für die Sehnsucht und Bereitschaft, mich hin- und aufzugeben? Oder sind wir in unserer heutigen Haltung weiterhin den Idealen des 19. Jahrhunderts verhaftet?
Die Geschlechterdebatte des 19. Jahrhunderts war wesentlich durch den Versuch charakterisiert, „wissenschaftliche“ Herleitungen für bestehende Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau bereitzustellen. Um die damaligen selektiven und aus heutiger Sicht eindeutig tendenziösen Argumentations- und Sprechweisen zu verdeutlichen, werden die Liedtexte Chamissos durch themenbezogene Texte seiner Zeitgenossen ergänzt und kontextualisiert. Diese zeigen die Grundlage unseres weiterhin aktuellen Sexismus: ER argumentiert aus der misogynen, scheinwissenschaftlichen und populären Perspektive eines Otto Weininger und zitiert aus „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ von Paul Julius Möbius ("Der Instinkt macht das Weib unselbständig, sicher und heiter.")
Auch Forschungserkenntnisse aus dem Tierreich, wie Alfred Brehm sie lieferte, wurden zur Legitimierung bestehender Machtverhältnisse eingesetzt.
Auffällig ist jedoch, dass auch hier ein sehr selektiver Blick waltete. Was, wenn man beispielsweise nicht nur auf den Schimpansen schaute, um den Menschen zu verstehen?
In mehreren Monologen beschreibt SIE radikal alternative Beziehungsmodelle, die SIE sich vorstellen kann. Tatsächlich stammen diese Modelle aus der Tierwelt, wo die Rollen ganz anders aufgeteilt sind, wie bei der schwarzen Witwe, dem Seepferdchen, der Ameisenkönigin, dem Laternenfisch, usw. (Alfred Brehm: "Noch studieren wir an Tieren, in der Absicht, uns selbst kennen zu lernen.")
In diesem Spannungsfeld lässt sich der Liederzyklus neu hören.
Videomitschnitt